Jörg Borgerding

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Wie ich einmal ein Strohwitwer gewesen bin

Wie ich einmal einen Eid gebrochen habe

 

Wie ich einmal ein Strohwitwer gewesen bin

Und dann hat die Marie gesagt, sie müsse jetzt unbedingt und zwar sofort nach Fischen, was im Allgäu liegt, zu ihrer Tante Josefine, die im Sterben liegt. Und das zusammen mit den Kindern, also unserm Ludwig und dem Lisl, weil doch die Tante Josefine selbst keine Kinder nicht hat, weil sie ja auch niemals verheiratet gewesen ist, und weil Kinder nun mal gut wären, um das Herz einer alten Frau zu erwärmen und erweichen.
Und meine Gattin sagte, damit ihre Schwester Gunilla und deren Mann Dietrich, das raffgierige Pack, nicht der Tante auf dem Sterbebett das Erbgut aus den Rippen leiern würden, insbesondere das alte Meißner, das Silber und die Perlen, weil Haus und Grund hatte Tante Josefine, die schon länger nicht mehr ganz richtig im Kopf war, bereits der CSU vermacht, mit der Auflage, daraus ein Erholungsheim für verdiente Parteimitglieder zu machen, müsse sie, die Marie, sofort nach Fischen, um Schlimmstes zu verhindern.
Zum Glück waren gerade noch Ferien. Der Ludwig hat dann noch gemault und gesagt, er wolle nicht zu der Großtante mitkommen, weil sie noch schlimmer stinken würde als wie ihr Haus, wofür sich der Ludwig eine Maulschelle von mir einfing. Und das Liesl hat auf den Boden gestampft mit dem Fuß und gesagt, sie käme nicht mit zu der Tante Josefine, weil die immer Bibelzitate abfragen täte und auf den Mund geküsst werden wolle, was recht eklig sei, weil sie, die Tante Josefine, zwar kaum noch Zähne aber dafür einen kräftigen Oberlippenbart hätte, wofür sich das Liesl eine Maulschelle von ihrer Mutter fing. Und ich habe den Kindern gesagt, sie sollen sich nun mal recht zusammenreißen, es sei die Tante eine alte Frau, die nicht mehr lange zu leben hätte, und dass ich ja selbst auch gerne mitkommen würde, was aber nicht möglich sei, weil es gerade so sehr viel zu tun gäbe auf der Arbeit.
Tatsächlich habe ich die Tante Josefine nie recht leiden können und sie mich auch nicht. Denn es gab in ihrem Haus nie einen Schnaps oder wenigstens einen Wein zu trinken, von einem Hellen ganz zu schweigen, sondern nur selbstgemachten Johannisbeersaft, und zwar schwarzen. Denn es war die Josefine schon seit Jahrzehnten Mitglied bei den Guttemplern, obwohl sie überhaupt nie gesoffen hat, woraus man ersehen kann, dass sie schon lange ein wenig Trulla im Hirn gewesen ist.

Und dann ist die Marie also mit den Kindern abgereist und hat gesagt, sie wäre in drei oder spätestens vier Tagen wieder zurück, rechtzeitig zum Schulbeginn, und ich solle nur ordentlich auf mich und das Haus Acht geben. Was ich ihr versprach. Sie solle sich keine Sorgen machen, sagte ich ihr noch, ich könne mich sehr wohl alleine versorgen, das hätte ich ja auch gekonnt, als sie nach den Kindsgeburten im Krankenhaus gelegen hatte. Und es sagte die Marie, darum mache sie sich ja eben doch Sorgen, weil sie sich noch recht gut erinnern könne, wie es in unserem Haus ausgesehen habe, als sie aus dem Krankenhaus zurückkam.

Ich habe dann, als Frau und Kinder abgereist waren, sofort meinen Chef angerufen und gesagt, es wäre eine tragische familiäre Geschichte passiert und ich müsse dringend drei bis vier Tage frei nehmen, was er mir sofort gewährte. Dann habe ich den Berti angerufen und gesagt, meine Familie sei zu einem schweren Gang aufgebrochen, und ich bedürfte eines guten Freundes Trost, weil es mich sehr bedrücken täte, dass die gute Tante Josefine nun bald vor unseren Herrgott treten würde. Und der Berti hat sofort und ganz spontan seinen Trost zugesagt. Ich sagte ihm dann noch, er solle nur die Getränke mitbringen, für das Essen täte ich dann schon sorgen. Und wenig später erschien dann der Berti, der wirklich mein allerbester guter Freund war solange er lebte, und hatte dabei eine Kiste Weißbier vom Hopf und eine Flasche vom doppelt Gebrannten. Mittlerweile hatte ich schon eine Dose Ravioli geöffnet und das Zeug in der Mikrowelle erhitzt. Und dann begann der Berti, mich zu trösten. (...)

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Wie ich einmal einen Eid gebrochen habe

Es war sehr voll an jenem einen Tag im Münchener Hofbräuhaus. Ganze Horden von Preußen aller Nationen bevölkerten die Tische und lärmten und  schunkelten zu der Musik. Schnell waren skandinavische, italienische und deutsche Preußen ausgemacht. Und, natürlich, die größte Preußengruppe: die der Japaner. Da ich nur einen kurzen Aufenthalt geplant hatte, wählte ich den ersten sich anbietenden Platz, einen Platz an einem von Japanern okkupierten Tisch. Am Ende einer Bank nahm ich Platz neben einer kleinen Japanerin mit Brille, die mich freundlich anlächelte. Mir gegenüber saß ein kleiner Japaner mit einer Brille, der mich freundlich anlächelte. Der hatte eine Maß Helles vor sich und versuchte, eine Weißwurst zu essen. Um 14 Uhr. Eine Weißwurst. Woran ich sofort ersehen konnte, dass der Japaner an sich keine Kultur nicht hat. Weil niemand, der wo eine Esskultur hat, um diese Tageszeit noch eine Weißwurst essen tut. Dieser Kulturschock bewirkte, dass ich bei der Kellnerin, nicht nur wie geplant, eine Maß Bier, sondern auch einen Enzian bestellte. Dass ich es eilig hätte, gab ich der Frau noch mit, da ich noch einen Museumsbesuch beenden müsse und meine Bahn nach Paslam um 16:34 Uhr vom Münchner Hauptbahnhof erreichen müsse, weil ich um 19 Uhr zu einer außerordentlichen Kirchenratssitzung erwartet würde. Weil es galt an jenem Abend die Frage zu diskutieren, in welchem Paslamer Wirtshaus wir, der Kirchenvorstand von St.Elke, in jenem Jahr unsere Weihnachtsfeier zelebrieren wollten – beim Fröschl-Wirt oder nebenan, im Ochsen. Und es ist diese Diskussion in jedem Jahr wieder eine sehr schöne, weil wir uns erfahrungsgemäß auf theoretischer Basis nicht einigen können und die Diskussion vor Ort, sozusagen, fortsetzen, und dabei Speisen- und vor allem Getränkekarte der als Veranstaltungsort für die Weihnachtsfeier in Frage kommenden Häuser nicht nur inspizieren, sonder gewissermaßen auch praktisch verkosten.    

Während ich also unter Zeitdruck auf mein Bier und den Schnaps wartete, sah ich dem Japaner beim Essen zu. Der bemerkte das und begann, ganz preußisch eben, eine Konversation. „Hei!“, sagte er auf japanisch, nickte mir mehrfach zu und lächelte. Bevor ich antworten hätte können, was ich gar nicht wollte, brachte die Kellnerin mir meine Erfrischungsgetränke. Das Bier war saumäßig gezapft, jedoch reklamierte ich nicht, wird einem doch eine Reklamation in einem Münchener oder in einem bayerischen Gasthof hinterher leicht als Suizidversuch ausgelegt. Drei Schluck später war der Maßkrug bereits nahezu fast ganz geleert, und das Stamperl sowieso. „Hei!“, lächelte mein japanisches Gegenüber, nickte hektisch mit dem kleinen Kopf, erhob seinen beinahe noch fast ganz vollen Maßkrug und nippte an dem Biere, dass es mir einen Stich in die Brust gab und ich sofort noch eine Maß bestellte, um diesen weiteren Kulturschock hinunterzuspülen. „Jaja, hei!“, sagte ich aber, um die sprichwörtliche bayrische Fremdenfreundlichkeit nicht in ein fragwürdiges Licht zu tauchen, und fügte, bemüht, das Ansehen Bayerns aus japanischer Sicht zu heben, eine Frage hinzu: „Von Japan sind Sie her, gelt?“ Die Antwort bestand aus einem freundlichem „Hei!“ und einem mich schmerzenden Nippen am Krug. (...)

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Jörg Borgerding:Paslam
Paslam, Bayern
Auslesen-Verlag 2007
ISBN 978-3-939487-04-3
179 Seiten 12,90 € (D)

Bestellmöglichkeiten:
via email bei mir: jfobg@web.de
oder beim Auslesen Verlag www.auslesen-verlag.de
sowie in jeder realen und virtuellen Buchhandlung

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