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Ernie sieht die Welt von oben

Ernie ging auf der Wiese spazieren und sah in den Himmel hinauf. "Die haben's gut …", dachte er, als er einige Schwalben über sich kreisen sah. "Und die auch …", beneidete er zwei Feldlerchen, die hoch über ihm schwebten und ihr Lied sangen. "Die können alle fliegen. Und ich …" Traurig schlug Ernie mit seinen Flügelchen, die immer noch zu schwach waren, um den kleinen Erpel in die Luft zu tragen. "Und ich möchte doch endlich so gerne die Welt von oben sehen!", wünschte Ernie sich, "Lehmanns Scheune, den Teich, die Wiese - das alles muss toll aussehen von da oben!", dachte er und blickte einer Krähe hinterher, die mit lautem "Krah! Krah!" über ihn hinwegflog.

Plötzlich begann die Erde in rhythmischen Stößen zu beben! Was war das? Und was war das für ein lautes "Bumm! Bumm! Bumm!", das mit den Erdstößen einherging? Ernie sah sich ängstlich um - und dann erblickte er die Quelle des Bebens und des Bummerns! Da kam ein Tier geschritten aus Richtung des Waldes, das war fast so groß wie Lehmanns Scheune und beinahe so hoch wie die Eiche am Teich! Jeder Schritt mit seinen gewaltigen Füßen brachte die Erde zum Beben! Immer schlimmer wurde es, je näher das Tier kam! Und was für eine lange Nase das Tier hatte, und was für riesige Ohren! Und erst die beiden langen Zähne, die links und rechts aus dem Maul des Tieres herauswuchsen, und die fast so lang waren, wie Herr Lehmann! Dennoch hatte Ernie keine Angst vor dem Tier. Jetzt, da es direkt vor ihm stand, sah es ihn von ganz weit oben aus lustigen, freundlichen Augen an! Und Ernie beschloss, den großen Fremden freundlich Willkommen zu heißen!

"Grüß dich - ich bin Ernie Erpelgrün, ich wohne hier ganz in der Nähe, und meine Freunde Fiona Federweich, Hans Hopp und der Buck wohnen auch hier! Und du - wer bist du? Und wo kommst du her?"
Das riesige Tier umschlang mit dem Ende seiner langen Nase einen großen Löwenzahnbusch, riss ihn aus und stopfte ihn sich ins Maul! Genüsslich kauend antwortete der Riese langsam sprechend: "Ich heiße Tomba, und ich komme aus Afrika!"
"Oh - aus Afrika, das ist bestimmt toll da, in Afrika!", staunte Ernie, der noch nie etwas von Afrika gehört hatte.
"Ja, das kann man wohl sagen!", antwortete Tomba und verspeiste den nächsten Löwenzahn.
"Hoffentlich frisst er Hans Hopp nicht das ganze Futter auf!", dachte Ernie und fragte dann: "Sag mal, Tomba - was hast du für eine lange Nase?"
"Nase?", fragte Tomba höchst belustigt und ließ aus seiner Nase ein "Töröööt!" in einer solchen Lautstärke ertönen, dass Ernie ein kleines Stück durch die Luft flog und im Gras landete. "Das ist keine Nase!", erklärte Tomba nun, "das ist mein Rüssel! Mit dem esse ich, trinke ich, greife ich und tröte ich!" Dann führte Tomba seine Rüsselspitze auf seine Stirn zu, genau zwischen die Augen. Was zur Folge hatte, dass der Elefant einen Moment lang schielte, worüber Ernie sehr lachen musste.
"Und was machst du hier, bei uns, auf der Wiese?", fragte Ernie, als er sich wieder berappelt hatte.
"Nun, ich habe ein wenig Urlaub genommen und ging spazieren, um etwas von der Gegend zu sehen!"
"Urlaub? Urlaub von was?", wollte Ernie wissen.
"Oh - das kannst du ja nicht wissen! Ich bin der Star im Zirkus Borgadino!"

Ernie, der von Frau Bürzelbreit im Kükengarten gelernt hatte, was ein Zirkus ist, kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. "Ach - ich würde auch gerne im Zirkus arbeiten!", seufzte Ernie. Da begann Tomba zu lachen, dass Ernie sich doch ein wenig fürchtete, so laut dröhnte das "Hahaha!" des Elefanten in den kleinen Erpelohren.
Tomba wischte sich mit dem Rüssel die Lachtränen aus den Augen und fragte Ernie: "Und was willst du da machen, im Zirkus, kleine Ente? Willst du eine Löwendressur vorführen, mit Cäsar, Nero und Kleopatra?" Und Tomba schlug mit seiner Nase auf den Boden, dass es knallte wie ein Peitschenhieb. "Nein, natürlich nicht!", sagte Ernie kleinlaut.
Tomba lachte und lachte. "Oder willst du durch einen brennenden Reifen springen, wie Tibor und Shakira, die beiden Königstiger?", fragte Tomba, und Ernie bemerkte wohl den Spott in dessen Stimme.
"Nein ...", sagte Ernie kaum hörbar und schämte sich.
"Oder willst du vielleicht mit Utschka und Ursus, den beiden Braunbären, den großen Bärensprung wagen? Aus 10 Metern Höhe in ein kleines Wasserfass?" Ernie schüttelte nur wortlos das Köpflein.
Oder möchtest du durch die Lüfte fliegen wie Sully und Harry, die beiden Trapezkünstler?", fragte Tomba weiter und schlackerte dazu mit seinen Ohren.
"Ach - ich kann ja noch nicht einmal fliegen, und würde doch so gerne einmal die Welt von oben sehen …", kam Ernie wieder auf seinen größten Wunsch zurück.

Tomba spürte, wie traurig Ernie war, und es tat ihm Leid, dass er sich über den kleinen freundlichen Erpel so lustig gemacht hatte. "Die Welt von oben sehen?", fragte er Ernie, und sagte dann, um wieder gut zu machen, was er angerichtet hatte: "Na, wenn's weiter nichts ist - das kannst du haben!" Ernie sah die Spitze des Rüssels mit den zwei riesigen Nasenlöchern auf sich zu kommen!
"Was … was machst du?", fragte Ernie ängstlich, als Tombas Nasenspitze sich sanft um seinen Kükenkörper schloss.
"Na - was mach ich wohl?", fragte Tomba und gab gleich die Antwort: "Ich lasse dich die Welt von oben sehen!" Und dann erhob der Elefant seinen Oberkörper und seine Vorderbeine und stand auf den Hinterbeinen! Und dazu streckte er seinen Rüssel, mit dessen Spitze er Ernie hielt, hoch in die Luft! Der kleine Erpel vergaß zu atmen, so berauschend war der Anblick!
"Da hinten - Lehmanns Scheune! Und davor kann ich den alten rostigen Traktor sehen!", staunte Ernie und blickte in die andere Richtung. "Und da - da ist der Teich! Oh, sieht der klein aus von hier oben - aber schön ist der! Und die Eiche - ich kann auf die Eiche sehen! Boah - die sieht von hier oben noch viel prächtiger aus als von unten!"

Ernie konnte sich kaum fassen vor Begeisterung, und Tomba freute sich, dass er dem kleinen Erpel solch eine Freude bereitete. Ernie blickte nach oben und sah die beiden Feldlerchen, die immer noch ein Stück über ihm flogen. "Hallo ihr! Wie geht's euch?", rief er ihnen zu. Und dann holte Tomba mit seinem Rüssel aus und schleuderte den kleinen Enterich in den Himmel empor! Der schoss in die Höhe, vorbei an den Lerchen, die so erstaunt waren, dass sie für einen Moment das Singen vergaßen! "Juhuuuu! Ich kann fliegen! Ich kann fliegen", jubelte Ernie, der nun wieder zu fallen begann und dabei mit den Flügeln flatterte, als könne er tatsächlich aus eigener Kraft fliegen! Tomba fing die kleine Ente sicher mit seinem Rüssel auf und setzte ihn behutsam wieder auf der Erde ab. "Oh - das war toll, Tomba! Danke!", freute Ernie sich und küsste den Elefanten auf die Nasenspitze.
"Oh - nichts zu danken, das hab ich doch gerne getan!", sagte der gemütliche Dickhäuter.

"Da bist du ja, Tomba - du alter Ausreißer!", hörte Ernie plötzlich jemanden rufen. Zwischen den stämmigen Beinen des Elefanten hindurch sah er zwei Männer, die auf Tomba zuliefen. Sie hielten jeder einen langen Stock mit einem Metallhaken daran in der Hand. "Bist du uns wieder mal ausgebüchst, Dicker?", sagte einer der Männer, als sie bei Tomba angekommen waren und klopfte ihm freundlich aufs Hinterteil. "Na, nun aber zurück, an die Arbeit! Bald beginnt die Nachmittagsvorstellung für die Kinder! Die kommen doch hauptsächlich wegen dir! Und vorher musst du dich noch stärken!", sagte der andere Mann. Und dann trabte Tomba fort, einen der Männer links von sich, und den anderen rechts.
"Tschüss, Tomba! Machs gut! Und vielen Dank fürs Fliegen!", rief Ernie seinem dicken Freund hinterher. Der blieb noch einmal stehen, drehte sich zu Ernie um und trötete mit seiner langen Nase einen Abschiedsgruß - "Törööööt!" - dass es Ernie von den Füßen hob und er rückwärts ins Gras fiel.

"Ihr glaubt nicht, was ich eben erlebt habe!" Atemlos war Ernie im elterlichen Nest angekommen, wo Mama und Papa und und Bobby und Bibi und Trutzi und Lucy und Luggi und Mucki auf den kleinen Erpelgrün warteten, um gemeinsam zu Abend zu essen. "Einen Elefanten habe ich getroffen, der kam aus Afrika, war aber auf Urlaub hier! Und der hat mich in die Höhe gehoben, und ich konnte die Scheune von oben sehen, und die Eiche und den Teich! Und dann hat er mich sogar in den Himmel geschleudert, und ich flog höher als alle anderen Vögel!", schnatterte Ernie, fast ohne Luft zu holen.
Wie lachte da die Familie Erpelgrün!
"Ein Elefant!", gickerte Bobby.
"Aus Afrika!", gackerte Trutzi.
"Hier bei uns, auf Urlaub!", keckerte Luggi!
"Und der gibt Ernie Erpelgrün Flugunterricht!", kicherte Bibi.
"Es ist schon toll, mein Sohn, was du für eine Fantasie hast!", freute Papa Erpelgrün sich, und Mama Erpelgrün sagte: "So, und nun lasst uns endlich essen! Ich habe Hunger wie ein Elefant!" Und wieder lachte die ganze Familie Erpelgrün.

Ernie lächelte. Er wusste, dass sie es nicht böse meinten, und dass wirklich alles sehr abenteuerlich klang, was er ihnen erzählt hatte. "Aber ich weiß, was ich erlebt habe!", dachte er bei sich, "und das - das kann mir niemand nehmen!"

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